Allgemein

Schalke-Legende Klaus Fischer Exklusiv

Zum Start der Europameisterschaft hat sich NetBet mit Ex-Nationalspieler und Fußball-Legende Klaus Fischer unterhalten. Im Interview sprach er über den Abstieg und Wiederaufbau von Schalke 04 und gab seine Einschätzung zur deutschen Nationalmannschaft im Vergleich zu anderen teilnehmenden Ländern ab. 

Weiterhin kommentierte Fischer, dass Deutschland ein echter Stürmer fehlt und kritisierte Joachim Löws Entscheidung, Thomas Müller und Matts Hummels nicht von vornherein ins DFB-Team aufzunehmen. Das und mehr verriet der Jahrhundert-Torjäger im folgenden Interview.

 

Seit der letzten Schalke-Mitgliederversammlung in 2019 ist bekanntlich einiges passiert. Vor allem in negativer Hinsicht. Man kann schon davon sprechen, dass diese Mitgliederversammlung die wichtigste seit Jahrzehnten ist, oder wie beurteilen Sie das?

Ja, wir haben eine schwierige Phase, das muss man so sagen. Wir sind abgestiegen und viele wichtige Leute haben den Verein verlassen die im Aufsichtsrat waren und jetzt ist kein klares Konzept da und es wird eine ganz schwierige Versammlung werden. Sonst waren immer im Stadion zwischen zehn und zwanzigtausend Mitglieder, die dann abgestimmt haben. Das wird jetzt ein Problem geben. Einige werden da wahrscheinlich gar nicht mitmachen können, deswegen hoffe ich natürlich, dass wir vernünftige Leute in den Aufsichtsrat bekommen und wieder Ruhe einkehrt im Verein.

 

Am Donnerstag ist bekannt geworden, dass Dr. Jens Buchta den Verein nach der Mitgliederversammlung verlässt. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung? Wer wäre ein geeigneter Nachfolger?

Tja, Buchter war immer ein wichtiger Mann. Dadurch, dass er jetzt den Verein verlässt, kommt das noch hinzu. Es war schon mit Peter Peters und Tönnies so, dass Leute den Verein und den Vorstand verlassen haben. Es wird ganz schwierig. Wer ist der richtige Mann? Da kann ich Ihnen nicht so ohne weiteres helfen. Der richtige Mann ist derjenige, der den Verein zusammenhält in einer ganz schwierigen Situation. Es sind ja auch die Finanzen nicht in Ordnung, wir haben fast 200 Millionen Schulden und jetzt das richtige Konzept zu finden, um aus dieser Misere rauszukommen, wird ganz schwer.

 

Der neue Aufsichtsrat wird gewählt, es gibt stattliche zehn Kandidaten für den Posten. Wie positiv sehen Sie das, dass sich so viele zur Wahl stellen, trotz der jüngsten Entwicklung?

Es waren ja 30 Leute, die sich eigentlich zur Wahl stellen wollten, aber zehn wurden nur zugelassen und es sind einige dabei die schon mal im Aufsichtsrat waren. Es ist die Frage, ob das die richtigen Leute sind. Einige sind dabei, die kenne ich persönlich. Ich glaube, wenn die in den Aufsichtsrat kommen würden, das wäre schon eine coole Sache. Aber ich muss ehrlich sagen, ein ganz wichtiger Mann der die Richtung bestimmt, den sehe ich nicht. Da bin ich selbst persönlich gespannt, wie das abläuft in der nächsten Zeit.

 

Schalke hat sich gegen eine Weiterbeschäftigung von Klaas-Jan Huntelaar und Sead Kolasinac entschieden. Ihre Meinung dazu?

Man muss einfach sagen, Klaas-Jan Huntelaar wird jetzt im August 38 Jahre. Ich persönlich habe auch mit 38 Jahren aufgehört, Fußball zu spielen, weil da kamen die Verletzungen, Muskelfaserrisse und so weiter. Ich glaube nicht, dass er uns dann weitergeholfen hätte. Kolasinac ist ja in England bei Arsenal unter Vertrag und finanziell kann sich Schalke 04 einen Kolasinac nicht leisten. Von daher hat der Verein richtig entschieden, diese beiden Spieler in der neuen Saison in den Kader aufzunehmen.

 

Wie sehen sie den Wiederaufbau von Schalke jetzt nach dem Abstieg?

Es ist ganz schwer, wenn man abgestiegen ist wieder in die erste Liga zu kommen. Wir haben in Deutschland große Beispiele, wie zum Beispiel der Hamburger SV, der jetzt drei Jahre versucht hat aufzusteigen und es nicht geschafft hat. Es ist eine schwierige Situation, weil die Gegner die in der zweiten Liga sind, die wissen sie spielen gegen Schalke 04. Das ist ein anderes Spiel, als wenn Frankenhausen gegen Regensburg spielt. Alle werden ihr Bestes geben, vielleicht sogar über ihre Grenzen gehen, um Schalke 04 zu schlagen. Deswegen wird es nicht einfach werden.

 

Wie denken Sie, dass es Deutschland bei der EM ergehen wird?

Wie Sie selber wissen, haben wir eine schwere Gruppe erwischt, mit Frankreich und Portugal. Wir spielen gegen den Weltmeister und gegen den amtierenden Europameister. Das wird eine Vorrunde werden, die sehr schwer wird. Überstehen sie diese Vorrunde, dann ist die Möglichkeit da, dass wir ziemlich weit kommen. Ich glaube schon, dass wir eine Mannschaft haben, die vielleicht zu den besten sechs in Europa gehört. Da sind natürlich auch die ersten Spiele gegen Frankreich und Portugal enorm wichtig. Wenn man da gut spielt, wenn man weiterkommt, das beflügelt eine Mannschaft und dann können sie weit kommen. Aber, da sind auch noch andere Konkurrenten da, zum Beispiel Belgien, England, Spanien und Italien. Ich bin gespannt und freue mich auf diese Europameisterschaft. Leider können wir nicht in vollen Stadien spielen, sondern Zuschauer werden nur teilweise zugelassen, aber das ist auch schon was anderes, als in leeren Stadien zu spielen.

 

Joachim Löw hat Thomas Müller zur EM zurückgeholt. Sie hatten in einem Interview mit der AZ bereits die Rückkehr gefordert, allerdings auch gesagt, an Müllers Stelle würden sie nicht mehr für Deutschland spielen. Was sagen sie nun darüber, dass Müller doch wieder dabei ist? Kann er die Offensive wiederbeleben?

Zuerst einmal fiel die Entscheidung so, wie ich das vielleicht gemacht hätte. Zweitens war es meiner Meinung nach ein Fehler, Müller und Hummels nicht einmal zu nominieren, weil die Spieler die in Form sind, die muss man für eine Nationalmannschaft berufen. Wenn sie gut sind, dann spielt es keine Rolle, ob sie 20 Jahre oder 30 Jahre alt sind. Deswegen habe ich gesagt, es war ein Fehler, Hummels und Müller nicht mehr zu nominieren.

Und ich persönlich muss ja sagen, als ich 1982 in Spanien dabei war, da war ich schon 32 und da hätte ich unter Jogi Löw gar nicht gespielt. Das finde ich nicht gut, weil eine deutsche Nationalmannschaft kann man nicht von neu aufbauen. Einen Verein vielleicht, aber bei der Nationalmannschaft müssen die besten Spieler spielen. Mich freut es, dass Müller und Hummels wieder dabei sind. Müller ist einer, der kann Tore machen, der kann Tore vorbereiten, der ist ein Spieler der nach vorne geht und aggressiv ist und solche Spieler brauchen wir gegen solche guten Gegner, die wir jetzt am Anfang haben. Auch später, braucht man solche Spieler. Das sind Führungsspieler, die den Ton angeben und die Jungspieler mitreißen.

 

Der Ex-Schalker Leroy Sané steht aktuell in der Kritik für seine jüngsten Auftritte in der Nationalmannschaft. Womöglich bleibt ihm bei der EM nur die Rolle als Joker. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation von Sané im DFB-Team?

Ich kann mich noch gut erinnern an Leroy Sané in der Jugend, es war ein Traum, ihm zuzuschauen. Wie er gespielt hat, von seinem Tempo her. Er ist ein Tempo Fußballer, aber ich frage mich, ob Leroy Sané nicht vielleicht alles zu leicht nimmt. Er muss voll konzentriert sein. Wenn er das ist, ist er ein ganz wichtiger Spieler für die Nationalmannschaft. Er muss aber auch nach hinten arbeiten, wie andere Spieler auch und da hat er noch ein bisschen Probleme. Aber ich glaube schon, dass sie ihn in der Nationalmannschaft und auch bei Verein dahin bringen, dass er ein ganz wichtiger Spieler für Deutschland wird. Sein Spiel gefällt mir, das sehe ich gerne, aber es ist mit ungeschicklichen Schwankungen in der Leistung.



Ein weiterer Ex-Schalker, Julian Draxler, hat es nicht einmal ins Aufgebot geschafft. Wie bewerten sie seine Entwicklung und Situation?

Eigentlich schade, weil Julian Draxler ist ein sehr guter Fußballer aber ihm fehlt der richtige Biss. Ich habe ihn auch ab und zu bei Paris Saint-Germain in der Champions League gesehen, da kommt zu wenig. Und deswegen ist er ausgebotet worden von Jogi Löw, weil da andere Spieler auf dieser Position eben andere Leistungen zeigen. Er ist ja ein relativ junger Spieler und damit er sich in Zukunft für die Weltmeisterschaft wieder anbietet, dafür muss Leistung kommen. Das geht nur über den Verein, bei Paris Saint-Germain. Wenn er in die Nationalmannschaft kommen will, muss er alles daran setzen, weil der Konkurrenzkampf ist sehr groß bei uns, gerade was das Mittelfeld angeht. Ich hoffe es aber für ihn, denn er ist ein sehr guter Spieler.

 

Sie haben auch schon mal gesagt, dass Deutschland ein echter Mittelstürmer fehlt. Wer soll ihrer Meinung nach ganz vorne bei der EM in der Spitze stürmen? Kann der überraschend nominierte Kevin Volland diese Rolle ausfüllen?

Kevin Volland ist nicht der Mittelstürmer wie ich mir ihn vorstelle. Harry Kane von den Totenham Hotspurs, das ist so ein Spieler, oder Lewandowski. So stelle ich mir den vor. Ein Mittelstürmer, der Tore machen kann mit Kopf und allem was möglich ist, der fehlt uns ja total. Miroslav Klose war 2014 der letzte deutsche klassische Mittelstürmer. Deutschland hatte immer gute Mittelstürmer die Tore gemacht haben, auch da, wo keine große Chance da war, und das fehlt uns. Deshalb haben wir auch Probleme, wenn wir spielen. Das hat man in der Vergangenheit gesehen beim Spiel gegen Dänemark und Nordmazedonien, das wir nicht gewonnen haben. Ich habe immer schon gesagt, dass es an den Vereinen liegt, solche Spieler aufzubauen und weiterzubilden, um sie wieder zu haben. 

 

Kai Havertz wurde bereits als neuer Michael Ballack angekündigt. Könnte er am Ende vielleicht sogar noch besser werden?

Ich habe ihn im Endspiel gesehen gegen Manchester City. Er hat hervorragend gespielt. Er ist ein junger Spieler, der einen tollen Linksfuß hat, aber er ist kein richtiger Mittelstürmer, das ist auch klar. Da fühlt er sich mit Sicherheit nicht wohl. Aber er ist ein Riesentalent, er spielt bei einer der besten Gruppen der Welt bei Chelsea und wird sich auch weiterentwickeln.

 

Havertz hatte einen harten Anfang bei Chelsea, denken Sie er baut sich auf auch über die EM und wird zum Premier League Star?

Ich glaube schon. Wenn man in ein anderes Land kommt, in eine andere Mannschaft als junger Spieler, da muss man sich durchsetzen. Ich glaube, dass er sich durchgesetzt hat, schon dadurch dass er das entscheidende Tor im Endspiel in der Champions League gemacht hat und dass er einen deutschen Trainer hat, der ihm die deutschen Tugenden beibringt. Die muss er auch in England zeigen, denn da wird der wahrscheinlich beste Fußball gespielt, was Schnelligkeit und Härte anbelangt. Ich glaube schon, dass er das Zeug hat sich durchzusetzen, denn er kann Tore machen. Er ist auch ein intelligenter Spieler, der weiß, wie er zu spielen hat. Aber, ein junger Spieler ist ja in seiner Entwicklung noch nicht am Ende. Dieses Tor hat ihm wahrscheinlich unglaublich Auftrieb gegeben und er wird weiterhin in England seine Tore machen.

 

Welche Auswirkungen erwarten Sie von Hansi Flick auf die Nationalmannschaft, wenn Löw beiseite tritt?

Hansi Flick hat beim FC Bayern bewiesen, dass er ein guter Trainer ist. Was er erreicht hat ist unglaublich. Dass er jetzt von Bayern München weg geht, ich weiß nicht, ob das richtig war. Da muss es irgendwo Probleme gegeben haben, weil Bayern ist eine der führenden Mannschaften in Europa mit tollen Spielern. Jetzt hat Hansi Flick natürlich auch in der Nationalmannschaft und im Hinblick auf die Weltmeisterschaft Spieler von Bayern München, und die sind der Kern der Mannschaft. Die werden vorgeben, wo es lang geht. Hansi Flick ist in der Lage, die Spieler richtig anzufassen, damit sie gute Leistung bringen. Aber wie gesagt, ich sehe noch niemanden klar an der Spitze. Wie das später bei der Weltmeisterschaft wird? Ich denke es wird keine Probleme geben bei der Qualifikation, aber wir haben ja gesehen, wie wir gegen Nordmazedonien verloren haben. Entschuldigung, aber das ist doch keine große Nation. Deswegen hoffe ich doch, dass Hansi Flick Mannschaften aufs Feld schickt, die ab der ersten Minute zeigen, wo es lang geht. Aber, wenn wir die deutschen Tugenden nicht einsetzen, dann schaffen wir das nicht.

 

Wie glauben Sie, dass es für Löw weitergeht? Wird er zu einem Verein gehen?

Ich weiß es nicht. Ich kann mir vorstellen, dass er vielleicht ein Angebot kriegt, eine Vereinsmannschaft zu trainieren. Es stand ja schon in der Presse dass Barcelona zum Beispiel Interesse hätte. Ob er sich das vorstellen kann? Möglich ist es schon.

 

Timo Werner hat als Torjäger im Vergleich zu seiner Zeit bei RB Leipzig in seiner ersten Saison in England weniger erreicht. Wo muss er sich Ihrer Meinung nach verbessern, um ein Top-Stürmer zu werden?

Er hat ja bei Leipzig in der letzten Saison 25 Tore gemacht. Das ist schon eine Hausnummer. Wo er jetzt ganz große Probleme hat, ist im Ausnutzen der Torchancen. Das hat man bei Leipzig nicht so gesehen. Daran muss er arbeiten. Seinen Linksfuß muss er verbessern. Da hat er oftmals die Chance gehabt, ein Tor zu machen, was dann nicht geklappt hat. Aber ich glaube schon, dass Werner auch mit seiner Schnelligkeit ein wichtiger Spieler bleiben wird, für Chelsea und auch für die Nationalmannschaft. Man braucht Spieler, die auf Tempo spielen. Deshalb wird er sich durchsetzen. Er braucht auch Selbstvertrauen. Selbstvertrauen für einen Stürmer sind Tore. Wenn er mal ein paar Tore hintereinander macht, dass kriegt er das auch.

 

Denken Sie Erling Haaland könnte besser werden als Robert Lewandowski wenn er in der Bundesliga bleibt?

Ich bin nicht der, der Spieler vergleicht. Haaland ist in seinem Alter ein Spieler, der spielt mit einer Wucht, mit einer Schnelligkeit, mit einer Aggressivität und einem absoluten Willen, Tore zu machen. Ich glaube, in seinem Alter hat es so noch keinen gegeben. Ich sehe solche Spieler gerne und ich hoffe, dass er noch lange in der Bundesliga bleibt. Lewandowski, der hat in der Bundesliga 41 Tore gemacht und den Rekord von Gert Müller getoppt – das hat man nie für möglich gehalten. Lewandowski hat ein gutes Kopfballspiel und er ist beidbeinig. Er kann mit links und mit rechts Tore machen. Haaland ist da etwas begrenzt, er hat einen linken Fuß und eine Schnelligkeit, die ist unglaublich, aber der rechte Fuß und auch das Kopfballspiel ist nicht seine Stärke. Deshalb muss er als junger Spieler diese Schwächen verbessern und dass kann man, indem man intensiv trainiert. Aber er wird seine Tore machen, egal in welcher Liga er spielt.

 

Wie es aussieht, steht Cristiano Ronaldo vor einem Wechsel von Juventus. Inwieweit glauben Sie, dass die Bundesliga von seinem Umstieg in die Liga profitieren würde?

Ronaldo in der Bundesliga? Das glaube ich nicht. Das wäre natürlich toll, weil Cristiano Ronaldo ist ein super Fußballer. Solche Spieler mag ich ja, die nie verletzt sind, weil sie topfit sind.

Und egal wo er gespielt hat, er ist ein Tore Macher. Sensationell. Es gibt eigentlich gar keine Schwächen bei Ronaldo. Wenn solche Spieler in der Bundesliga spielen, da hätte ich nichts dagegen. Aber ich glaube es nicht.